Kommentar zu Gavdos

Aus dem Nebel der Historie sind wir über Gavdos-Ogygia im Stil antiker Erzählkunst durch Homer unterrichtet.

Sein schiffbrüchiger Held Odysseus will hier 7 Jahre Gefangener der Nymphe Kalypso gewesen sein. Autoren, die in den letzten 20 Jahren Reisebücher entwarfen, fiel die Schaffung neuer Geschichten augenscheinlich schwerer. Gavdos soll in alten Zeiten 8000 Einwohner und einen Bischof gehabt haben. Warum weiss keiner.

Ausser der netten Anekdote vom Apostel Paulus, der als selbsternannter Vorkämpfer gegen die Lügenhaftigkeit der Kreter auch eine Epistel schrieb, ist nichts zu finden.

Nachdem er nach laut Anekdote schon Schiffbruch bei Kali Limenes(Matala) erlitten und in Agios Pavlos (Sfakia) an Land gegangen war erlitt er einen weiteren Schiffbruch auf Gavdos. Unglück durch die wilden Elemente der Meere war den Griechen als Küstenbewohnern seit Alters her vertraut.

Geblieben sind davon Elemente für Fabeln und die Redensart vom Schiffbruch. "Alle Kreter sind Lügner, auch ich bin ein Kreter" vermittelt die Weisheit des Altertums.: Ohne Lüge keine Wahrheit, ohne Wahrheit keine Lüge. Die Griechen, insbesondere die Kreter waren keine Einfaltspinsel, die an gebrochenem Herzen oder erbrochenem Alkohol starben.

Schwindeln, List und Tücke waren auf jeden Fall anerkennenswerte Leistungen im Kampf mit Gegnern, ein Lügner wie Odysseus Nationalheld. Die Kreter haben die Stürme der Jahrhunderte überlebt. Eine wichtige Rolle kann Gavdos in alten Zeiten im Handel mit der Cyrenaika in Nordafrika gespielt haben.
Da die damalige Seefahrt auf schönes Wetter angewiesen war, gab es mit Gavdos einen zusätzlichen rettenden Hafen. Gern erzähle ich Ihnen während der Reise meine Vermutungen über die Route einer geheimnisvollen Heilpflanze. Leider hört sich die Geschichte von ihrem Ende sehr modern an.

Durch künstliche Verknappung seitens der Landbesitzer zum Zwecke der Spekulation kam es zur Ausrottung dieser Heilpflanze, aus welcher der Reichtum der Cyrenaika und ihrer Händler gewachsen war. Die letzte Knolle soll im Suppenteller von Kaiser Nero gelandet sein.

Auf jeden Fall war das Leben auf Gavdos zu Beginn des 20. Jahrhunderts schwierig, selbst bei vielleicht nur 2 hundert Einwohnern. Bevor ein grosser Teil der Bevölkerung von Gavdos nach Paleochora (Kreta) auswanderte, verdingten sich die Männer von Gavdos als Wanderarbeiter auf Kreta. Weiteres aus dieser Geschichte hat mir der schon damals alte Stelios Ellinakis 1979 in Sougia erzählt, wo ich in den 80ern ein Strandcafe führte.

Vor dem 2. Weltkrieg begann man damit Kommunisten nach Gavdos zu verbannen. Schlagzeilen machte Gavdos Ende der 90er Jahre als die türkische Regierung, wahrscheinlich zum Aufblähen ihrer Verhandlungsmasse für ihre Vertreibungs- und Besetzungspolitik auf Zypern, Ansprüche auf Gavdos erhob, die bis heute noch nicht fallen gelassen wurden.

Die griechische Regierung machte Schlagzeilen, indem sie Gavdos zu einem überdimensionierten Umschlaghafen für die Mittelmeerschiffart umwandeln wollte. Da Gavdos bereits in den (Naturschutz) Plan von Natura 2000 eingetragen war, hagelte es natürlich Proteste. Ich selbst habe damals die Unterschriftensammlung von EUORONATUR unterstützt.

Vielleicht war es auch ein diplomatisches Manöver der Nachfahren von Odysseus: "Sind wir der Ansprechpartner von internationalen Protesten wegen Gesetzesverstössen auf Gavdos, so sind wir folglich auch die rechtmässigen Besitzer, wenn es schon die die rechtmässigen Verbündeten Griechenlands nichts klar stellen wollen".

Ein paar Strassenarbeiten, die teilweise schon wieder mit Unkraut bewachsen sind, sprechen noch von diesen Plänen. Inzwischen ist die Ankunft des kleinen Küstendampfers wieder das grösste Ereignis der Insel und ihrer höchstens 50 Einwohner.
In einem Zeitalter wo wir eher von Zivilisationsferne träumen, ist eine solch abgelegne Insel für uns ein Hort für stilles Leben. Auch für die Einheimischen kann erst Kreta wieder genügend Hektik bieten.
Touristen gab es ausserhalb der Saison bisher nicht sehr viele. Eher mehr Zugvögel, die Gavdos als Trittstein für ihren Flug nach Afrika ansteuern.
Mit wunderschönen Blicken auf die weissen Berge, die sich im gegenüberliegenden Kreta auftürmen begrüsst Sie der Morgen oder kündigt sich der Abend an.
Über stille Pfade laufen wir zu einsamen Stränden, zur Ruine des alten Leuchtturms und machen in den kleinen Inselortschaften Halt. Fischerboote die ihren Fang ausladen, Begegnungen mit freundlichen Inselbewohnern reichen uns als Ereignisse. Die munteren Ziegen, die Sicht auf die Weite des Meeres und der Blick in den klaren Sternenhimmel begleiten uns.

Ich würde mich freuen mit Ihnen unter dem weiten Horizont der griechischen Inselwelt zu wandern.